Studenten in Holsteinstraße froh über Polizeischutz / Ermittler äußern
sich nicht zu Hintergründen der Anschläge
Nach erneuten Attacken auf ein überwiegend von Studenten bewohntes Haus
in der Holsteinstraße ermittelt jetzt der Staatsschutz. Wie berichtet,
hatten am Sonnabend gegen 4.40 Uhr zunächst zwei junge Männer die
Fassade mit Steinen beworfen. Wenig später wurden sie gefasst. Über
etwaige Verbindungen des Duos zu Rechtsextremisten schweigen sich die
Ermittler aber aus. "Dazu sagen wir nichts", erklärte gestern
Polizeisprecher Andreas Loepki nach Rücksprache mit dem Staatsschutz.
Kurz vor Mitternacht waren dann mehrere Männer vor dem Haus in
Reudnitz-Thonberg aufmarschiert. Zeugen zufolge versuchten sie, eine
Wohnungstür in Parterre aufzubrechen und warfen einen Knallkörper durch
den Briefschlitz. "Ich habe dagestanden und gezittert", so eine
Bewohnerin. "Vor Angst konnte ich mich nicht bewegen."
Minuten später
warfen die Täter mit einem Pflasterstein eine Scheibe im ersten Stock
ein und flüchteten, bevor die Polizei eintraf. Von den zirka sechs
Angreifern fehlt bislang jede Spur. Die Hausbewohner konnten lediglich
einen von ihnen kurz sehen: etwa 20 Jahre alt, 1,70 Meter groß,
grau-weiße Tarnfleckjacke, Basecap, Tuch vorm Mund. "Ich bin mir sicher,
dass dieser Angriff von den Rechtsextremen ausging, die vor einer Woche
vor unserem Haus demonstrierten", so einer der Bewohner. Am 12. Januar
hatten Neonazis während einer angemeldeten Demonstration vor dem Haus
eine Kundgebung abgehalten und waren dabei von den Bewohnern mit lauter
Zirkusmusik gestört worden. Doch auch für diese zweite Attacke gegen das
Haus mochte die Polizei ein politisches Motiv nicht bestätigen. "Wir
ermitteln weiter in alle Richtungen", sagte Loepki.
In Antifa-Kreisen reichten die Infos indes aus, um am Sonntagmittag für
eine Demo durch Reudnitz-Thonberg ab 17 Uhr zu mobilisieren. "Es ist
begrüßenswert dass sich rund 500 Menschen zusammenfanden, um den
Hausbewohnern ihre Solidarität und den Nazis ihren Unmut zu bekunden",
befand anschließend Juliane Nagel (Linke).
Gewaltsame Zwischenfälle blieben jedoch nicht ganz aus. Die Polizei
meldete zerstörte Heckscheiben an zwei Funkstreifenwagen, ferner Schäden
an Verkehrszeichen und Baustellenabsicherungen. Zudem griffen Chaoten in
der Bernhard-Göring-Straße in Süd einen Opel Astra an, schlugen dessen
Frontscheibe ein. Der Fahrer kam mit einem Schock ins Krankenhaus. An
der Oststraße — hier soll der Anmelder der Rechtsextremen-Demo vom 12.
Januar wohnen — warfen Autonome die Seitenscheibe eines VW Golf mit
einem Stein ein, verletzten dabei den Beifahrer. "Die Demonstration
wurde von diesem Auto angegriffen", so Nagel, "es raste mitten durch die
Menschenmenge." Aus Polizeikreisen verlautete, dass zumindest einer der
Golf-Insassen dem Staatsschutz bereits bekannt ist: Der Geithainer soll
an einem Überfall auf eine Jugendveranstaltung beteiligt gewesen sein
und dabei antisemitische Parolen gebrüllt haben.
Während die Linken weiteren "offensiven Widerstand" ankündigten, will
die Polizei im Umfeld des Hauses in der Holsteinstraße verstärkt
patrouillieren. "Neben häufigeren Streifen durch das zuständige
Polizeirevier können bei Bedarf Sonderkräfte der Bereitschaftspolizei in
dem Bereich eingesetzt werden", erklärte Behördensprecher Loepki. "Wir
sind dankbar dafür", sagte einer der Bewohner des Hauses, das bereits im
November von mutmaßlichen Neonazis attackiert worden war. "Trotzdem
haben wir inzwischen rund um die Uhr Angst." Frank Döring