Colditz.
Rund 100 vermummte Rechtsextremisten haben am Samstag in Colditz
(Muldentalkreis) randaliert und ein Geschäftslokal schwer beschädigt.
Viele der Randalierer gehören zu der verbotenen Kameradschaft "Sturm
34", teilte die Polizei mit. Erst vor einer Woche hatten rechtsextreme
Schläger das Auto von fünf Nazi-Gegnern demoliert und sie mit dem Tode
bedroht.
Die Gruppe sei offensichtlich angereist, um ein Konzert aus der linken
Szene zu stören, hieß es. Als klar wurde, dass ein solches Konzert in
Colditz gar nicht stattfand, zogen die dunkel gekleideten und
vermummten Neonazis gegen 19.30 Uhr durch die Innenstadt. Aus der Menge
heraus wurden Fensterscheiben eines Elektrogeschäfts und einer Wohnung
eingeschlagen und Nebelgranaten in einen Geschäftsraum geworfen.
Personen seien nicht verletzt worden, der Auflauf der Rechtsextremen
habe sich nach etwa zehn Minuten aufgelöst. Die Polizei nahm von
mehreren Beteiligten die Personalien auf. Zur Aufklärung wurde eine
Ermittlungsgruppe beim Dezernat Staatsschutz eingerichtet. Viele der
Randalierer seien der verbotenen Neonazi-Kameradschaft "Sturm 34" zuzuordnen, teilte die Polizei in Leipzig mit.
Laut der Sprecherin der Linksfraktion für antifaschistische Politik,
Kerstin Köditz (Grimma), handelte es sich um einen "gezielten
politischen Racheakt" der Neonazis auf das Elektrogeschäft in Colditz,
denn der Inhaber des Ladens hatte bereits mehrfach eine in seinem
Besitz befindliche Halle an junge Leute zur Durchführung linker
Konzerte und von Aufklärungsveranstaltungen vermietet. Die Familie sei
in der jüngsten Vergangenheit mehrfach bedroht worden, so Köditz. Nach
Angaben des Besitzers sei ein Sachschaden von rund 100.000 Euro
entstanden.
Überfall mit Gesichtsmasken und Baseballschlägern
Erst vor einer Woche hatten Neonazis bei Colditz einen gewalttätigen
Angriff auf politische Gegner verübt. Fünf junge Männer aus
Geringswalde waren am Samstag mit dem Auto auf dem Rückweg von einer
Demonstration gegen Rechtsextremismus in Borna. Dabei wurden sie über
mehrere Kilometer auch über Nebenstraßen und durch ein Waldstück von
vier Fahrzeugen verfolgt. Schließlich wurden sie nach eigenen Angaben
ausgebremst und auf der B 176 zum Halten gezwungen. Aus den vier Wagen
seien mit Masken vermummte Männer ausgestiegen und hätten das Auto der
Nazi-Gegner mit Baseballschlägern und Schlagstöcken demoliert. Die
jungen Leute konnten dennoch mit Mühe flüchten und Richtung Hartha
weiterfahren, wo ihnen die herbeigerufene Polizei entgegenkam,
berichtete die Leipziger Volkszeitung. Die Polizei nahm die Anzeige auf und sicherte Spuren. Das Auto hatte Totalschaden.
In der Nacht darauf wurden die jungen Männer in Geringswalde mit dem Tode bedroht, berichtete die Chemnitzer Morgenpost
am Freitag. Einer der Betroffenen: "Mehrere Autos fuhren vor, aus denen
Nazi-Musik dröhnte. Die maskierten Insassen stiegen aus, grölten
‘Freitag machen wir euch kalt!’" Beim Eintreffen der Polizei waren die
Nazis bereits verschwunden.
Von dem rechtsextremen Hintergrund war freilich in der
Polizei-Pressemeldung über den Überfall auf der B 176 keine Rede: dort wurde nur über eine
"Sachbeschädigung" berichtet. Erst auf Nachhaken der Medien ergänzte
die Polizei die Meldung.
Weitere Morddrohungen wurden in den folgenden Tagen aus Kreisen der
Berufsschulen in Rochlitz und Mittweida weitere Morddrohungen laut,
berichtete der Bürgermeister von Geringswalde, Rainer Eckert (66, Die
Linke). "Wir hatten mitbekommen, dass die Nazis etwas Größeres planen.
Eine üble Geschichte – die Jungs stehen alle auf einer ‘Schwarzen
Liste’." Bürgermeister Eckert forderte Polizeischutz für den
5.000-Einwohner-Ort an.
Kerstin Köditz brachte den Überfall im Landtags-Innenausschuss auf die
Tagesordnung. Inzwischen kümmert sich Sachsens Landespolizeipräsident
Bernd Merbitz (52) selbst um den Fall. "Er sagte, die Opfer hatten
Todesangst, weil die vermummten Täter mit äußerster Brutalität
vorgingen", berichtete Köditz aus der Ausschuss-Sitzung.
Am Freitag hatten die beiden sächsischen Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt in ihrer Jahresbilanz für 2007 eine erhebliche Zunahme rechtsextremer Übergriffe konstatiert.
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