Die langen Schatten der Extremismustheorie
Am 15. Mai 2008 findet in der »Runden Ecke Leipzig« eine Veranstaltung mit
dem Titel »Politischer Extremismus und seine Wahrnehmung in Deutschland
– Die langen Schatten der Vergangenheit« statt. Organisiert wird das Ganze vom
Bürgerkomitee Leipzig e.V. und dem Evangelischen Arbeitskreis der CDU. Als
Referenten sind mit von der Partie: Prof. Dr. Eckhard Jesse (Extremismusforscher
an der TU Chemnitz) und Heinz Eggert (ehemaliger sächsischer Staatsminister des
Inneren). Sollte sich beim Veranstaltungstitel noch die Frage stellen, worum es hier geht,
so erübrigt sich diese schnell in Hinblick auf den Referenten Eckhard Jesse. Denn Jesse,
der als »anerkannter Extremismusexperte« für die Bundeszentrale für Politische Bildung,
das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitet,
ist schon seit Anfang der neunziger Jahre eine untragbare Person, die immer wieder
durch antisemitische und das Naziproblem verharmlosende Publikationen hervorsticht.
Zentraler Punkt bei Jesse ist die so genannte Extremismustheorie, die davon ausgeht, dass
es eine demokratische Mitte gibt, die durch extreme Ränder bedroht ist. Dabei setzt Jesse
Links und Rechts gleich und kritisiert auch, dass der »Linksextremismus« in Deutschland
viel weniger wahrgenommen wird als der »Rechtsextremismus«. Doch nicht nur der
»Linksextremismus« ist Jesse ein Dorn im Auge. 1990 veröffentlichte er gemeinsam
mit Rainer Zitelmann den Sammelband »Schatten der Vergangenheit – Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus«. Jesse forderte darin das Ende der »selbstquälerischen Form der Vergangenheitsbewältigung
«. Dass sich die Deutschen endlich vom Joch des Nationalsozialismus befreien und
einen Schlussstrich in Sachen Geschichte ziehen sollen, war ein Hauptanliegen des
Buches. Gleichzeitig verfolgte Jesse das Ziel, den Deutschen eine ganz besondere
Angst nehmen: »Die Angst, man könne als Antisemit abgestempelt werden, erscheint geradezu
übermächtig«, schrieb er in »Schatten der Vergangenheit« und beklagte eine »vielfach
privilegierte jüdische Position in der Bundesrepublik«. Auch anderswo: Wer »auf
den starken jüdischen Einfluss in den USA verweist«, sei »noch längst kein Sympathisant
des Antisemitismus«. Oder andersherum: Antisemiten sind die eigentlichen Freunde
der Juden, denn, so der Extremismusforscher: »Jüdische Organisationen brauchen
Antisemitismus in einer gewissen Größenordnung, um für ihre Anliegen Gehör
zu finden … .« Damit bediente Jesse gängige antisemitische Klischees, wie z.B. den großen
Einfluss der Juden in der Weltpolitik. Jesse wurde für seine Äußerungen oft kritisiert. Seiner Karriere als
Extremismusforscher hat das bis heute nicht geschadet. So veröffentlichte er 2003
einen Sammelband mit dem Titel »Der missbrauchte Antifaschismus«. Im Buch
wird dafür plädiert, vom »Antifaschismus« zugunsten des »Anti-Extremismus« oder
»Anti-Totalitarismus« Abstand zu nehmen. Herausgeber Eckhard Jesse kritisiert darin:
»Als linksextremistisch gilt vielfach nur noch eine gewalttätige Variante, als rechtsextremistisch
hingegen bereits jede Form der ›neuen Rechten‹. Wer im Neuen Deutschland
einen Artikel schreibt, kommt ›ungeschoren‹ davon; wer der Jungen Freiheit ein Interview
gibt, provoziert eine Kampagne.« Mit anderen Worten: Anstatt sich gegen Nazis
und ihr ideologisches und organisatorisches Umfeld zu engagieren, solle man sich in
Deutschland wieder stärker gegen Links wenden. Damit zeigt Jesse, dass er im Land
der Täter keine besondere Veranlassung dafür sieht, jegliche Ansätze nationalsozialistischer
Wiederbetätigung im Keim zu ersticken. Der Politikprofessor wird ganz konkret, wenn er
praktischen Antifaschismus schlecht reden darf: So kritisierte er in einem Interview
mit der Leipziger Volkszeitung (LVZ vom 4. Januar 2008) das Zusammengehen verschiedener
politischer Initiativen gegen Aufmärsche von Neonazis in Leipzig. Als
legitim galt ihm nur eine Einstellung, die eine »ordnungsgemäße« Durchführung von
Nazi-Demonstrationen möglich macht. Blockadeversuche, mit deren Hilfe es in der
Vergangenheit gelang, die Propagandaleistung von Christian Worch und seinen Kameraden
einzuschränken, werden vom Berater des sächsischen Innenministers unter der Floskel
»Politrandalierer« als Fall für die Polizei behandelt. Doch Jesses »Antiextremismus« zielt
nicht nur auf die Diskreditierung antifaschistischer Initiativen. Vielmehr
noch strebt er nach einer Normalisierung nationalistischer und obrigkeitsstaatlicher
Positionen, obwohl diese zu den Grundbestandteilen alter und neuer Nazis
gehören. Ganz im Sinne dieser politischen Haltung verteidigte der Politikprofessor
dann auch kürzlich den designierten Kultusminister Krause aus Thüringen, als
dieser wegen seinen Artikeln in braunen Medien wie Junge Freiheit und Etappe in die
Kritik geriet. Dass Eckhard Jesse Nazis mit AntifaschistInnen gleichsetzt, ein
Geschichtsrevisionist ist, für den die NPD eine ganz normale Partei darstellt,
weshalb er auch gute Kontakte zu diversen Nazigrößen pflegt, ist nichts Neues.
Gerade deshalb ist es umso wichtiger, ihm die Grenzen aufzuzeigen und seinen
Verlautbarungen etwas entgegen zu setzen. Darum fordern wir euch auf, zahlreich zu
einer kritischen Teilnahme der Veranstaltung am 15. Mai um 18.00 Uhr in die »Runde
Ecke« in Leipzig zu kommen.
Initiative gegen jeden Extremismusbegriff
http://inex.blogsport.de
Treffpunkt: 15. Mai – 17.30 Uhr
an der »Runden Ecke Leipzig«