Jungle World Nr. 28, 10. Juli 2008

Junge Mode in Flecktarn

 In Leipzig verhandelt das Landgericht die Räumungsklage gegen eine
Filiale der Firma Mediatex. Diese stellt die Bekleidungs­marke »Thor
Steinar« her, die bei Rechtsextremen sehr beliebt ist. Uwe Meusel, der
Geschäftsführer der Firma, möchte sich in der Öffentlichkeit jedoch als
unpolitischen Geschäftsmann darstellen.

Schon vor dem Eingang des Justizgebäudes war klar, dass es keine
normale Verhandlung der Zivil­kammer werden würde. »Time to say
goodbye«, stand auf einem Transparent des Leipziger Bünd­nisses
»Ladenschluss«, die Polizei war in großer Zahl anwesend, und wer ins
Gericht wollte, musste eine Sicherheitsschleuse passieren. Der Saal war
trotzdem überfüllt, nicht nur wegen der Mitglieder des Bündnisses,
sondern auch wegen der zahlreichen Journalisten und Journalistinnen.

Gegenstand der Sitzung war die Klage auf Räumung des Ladenlokals in
der besten Lage der Leipziger Innenstadt, das Uwe Meusel, der
Geschäftsführer der Textilienfirma Mediatex, im ver­gangenen Jahr von
der Immovaria Beteiligungen AG für drei Jahre gemietet hatte. Immovaria
hatte den Mietvertrag im Oktober, kurz nach der Eröffnung des Ladens,
angefochten, da Meusel die Vermieter über die wahre Natur des
Sortiments getäuscht haben soll: Im vorgelegten Ver­kaufskonzept sei
nur von »Young Fashion« die Rede gewesen, und weder die Marke »Thor
Steinar« noch die mit ihr verbundene Klientel sei erwähnt worden. Noch
kurz vor der Eröffnung war ein Schild im Schaufenster zu sehen, das
schlicht für Mode in »Übergrößen« warb. Was es wirklich mit »Thor
Steinar« auf sich hat, erfuhren die Vermieter recht schnell wegen der
großen Proteste. Eine Vielzahl von Demonstrationen und Kundgebungen
sorgte regelmäßig für einen Ausnahmezustand vor dem Gebäude, mehrfach
wurden die Scheiben eingeworfen, der Anwalt von Mediatex berichtete von
Anschlägen mit Buttersäure.

In der Gerichtsverhandlung erklärte sich der An­walt Meusels
auf die Frage der Richterin, ob doch noch ein Vergleich zwischen den
Parteien möglich sei, dazu bereit, den Mietvertrag aufzulösen – gegen
eine Entschädigung von 200 000 Euro. Die Vertreter der Immobilienfirma,
ein Vorstandsmitglied und eine Rechtsanwältin, baten um eine Pause.
Nach einigen Telefonaten vor der Tür gaben sie dann aber an, dass eine
gütliche Einigung zurzeit nicht möglich sei.

Zwar will Immovaria den gegenwärtigen Zustand so schnell wie möglich
beenden, aber eben nicht zu jedem Preis. Dabei hatten die Vertreter der
Firma einen interessanten Vorschlag zur Lösung des Problems
unterbreitet: Da die Ursache für die Probleme ja in der unter rechten
Jugendlichen so beliebten Marke »Thor Steinar« läge, könne Meusel doch
aufhören, die Marke zu vertrei­ben.

Der Vorschlag sorgte für Heiterkeit im Publikum. Denn das
Geschäftsmodell und der Erfolg von Uwe Meusels Firma beruht allein auf
der Marke »Thor Steinar«: Ein zumindest diffus
völkisch-nationalistischer Kundenstamm wird mit Mode versorgt. Die
Symbolik auf der Kleidung ist dazu geeignet, auf das Weltbild der
Kundschaft zu verweisen, bleibt aber immer auch zweideutig genug, um
nicht zum Gegenstand der strafrechtlichen Verfolgung zu werden.

Uwe Meusel hat sich bisher nicht davon distan­ziert, dass die
Mehrheit der Käufer seiner Produkte offenbar am rechten Rand zu finden
ist. Fir­men wie Lonsdale oder Fred Perry taten das. Sie hatten als
Reaktion auf ihre Beliebtheit in der Naziszene klargestellt, nichts mit
ihr zu tun haben zu wollen. Sie stellten die Belieferung bekannter
Naziläden ein und unterstützten antiras­sistische Kampagnen.

Mediatex scheint hingegen sehr genau darauf zu achten, wie sich
andere über die Firma äußern. So wies Meusels Vertreter in Leipzig die
Anwältin von Immovaria zurecht, sie solle vorsichtig sein mit der
Behauptung, »Thor Steinar« würde vor allem von Rechtsextremisten
gekauft. Wohl nicht zuletzt deshalb fallen die Formulierungen in der
gerade erschienenen Aufklärungsbroschüre »Investigate Thor Steinar«
bemerkenswert vorsichtig aus. Dennoch ergab die detaillierte
Untersuchung des Mediatex-Sortiments Folgendes: »Nahezu durch das
gesamte Sortiment zieht sich eine ideologische Anlehnung an
Nationalsozialismus, Kolonialismus, völkisch-mythologische
Begebenheiten sowie Gewaltdarstellungen.« Die Beispiele reichen vom
Flecktarn-Muster, das sich an SS- und Wehrmachtsuniformen orientiert,
über das vom NPD-Funktionär Jürgen Rieger patentierte,
heidnisch-antichristliche Symbol eines Adlers, der einen Fisch in den
Klauen hält, bis hin zum Slogan »Ski Heil«.

Das ursprüngliche, auch als SS-Rune lesbare Logo von »Thor Steinar«
wurde zwar erst nach der Einleitung eines Verfahrens wegen des
Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen durch ein
harmloseres Symbol ersetzt. Im Lauf der vergangenen Jahre hat es bei
Mediatex jedoch einen Hang zum Unverfänglicheren gegeben, wie die
Autorinnen und Autoren der Broschüre schreiben: »Ohne plakative,
explizite Verweise auf rechte und völkische Inhalte«, sondern durch die
Verwendung mehrdeutiger Be­züge und die Nutzung neuer Stile wende sich
»Thor Steinar« auch an andere Käuferkreise.

Gemessen am wirtschaftlichen Erfolg der Firma, die ihren Sitz in
Zeesen in Brandenburg hat, ist die Größe der bisherigen Kundschaft aber
offenbar ausreichend. Zumindest für Meusel scheint es sich gelohnt zu
haben. Stolz führte er in der vergangenen Woche einen Reporter der
Märkischen Allgemeinen Zeitung durch den Rohbau seiner Villa im
brandenburgischen Königs Wusterhausen, um zu beweisen, dass er nur ein
privates Eigenheim, aber kein NPD-Schulungszentrum plane. Das Haus wird
freilich über einen eigenen Eingang für das Kindermädchen und ein
Wohn­zimmer mit einer Fläche von 80 Quadratmetern verfügen.

Es ist Uwe Meusel bislang dennoch nicht gelun­gen, sich als
unpolitischen Geschäftsmann darzustellen, und ebenso wenig wird »Thor
Steinar« als harmlose Kleidungsmarke angesehen. Das ist sicherlich das
Verdienst der verschiedenen Kam­pagnen, die sich bundesweit gegründet
und dafür gesorgt haben, dass etliche Läden wieder schlie­ßen mussten.
Das »Ladenschluss«-Bündnis in Leipzig verlasse sich zurzeit jedoch vor
allem auf das Landgericht, sagt die Sprecherin Juliane Nagel. Ob die in
die Justiz gesetzte Hoffnung berech­tigt ist, entschied sich jedoch
nicht am ersten Verhandlungstag. Das Urteil des Landgerichts soll erst
am 28. August verkündet werden. In einem ähnlichen Verfahren gegen eine
»Thor-Steinar«-Filiale in Magdeburg wird das Oberlandesgericht Naumburg
im Oktober über die Berufung verhan­deln. Mehrere andere Geschäfte in
Leipzig, die die Marke aus Zeesen im Sortiment hatten, haben
mittlerweile geschlossen oder den Verkauf von »Thor Steinar«
eingestellt.

Arthur Leone

 

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