Jena, die NPD und das Braune Haus

 Jena: “Kampf um die Straße” statt “Kampf um die Parlamente”

npd-blog.info 

Am 14. April 2009 haben Neonazis im Jenaer Paradiespark zwei junge Punks brutal zusammengeschlagen. In einer Mitteilung der Jugend,- Aktions- und Projektwerkstatt Jena (JAPS) hieß es, dabei sei ein Minderjähriger so schwer am Kopf verletzt worden, dass er sich seit dem in stationärer Behandlung im Jenaer Klinikum befindet. Zeugen berichteten demnach, dass etwa 10 bis 15 Neonazis auf die Jugendlichen einschlugen.

Die NPD will bei der Landtagswahl am 30. August 2009 in Thüringen in den Landtag einziehen. Umfragen sehen die rechtsextreme Partei bei etwa fünf Prozent. Dabei gilt die NPD in dem Bundesland als tief zerstritten. NPD-BLOG.INFO sprach mit Max Bauer von der JAPS über die rechtsextreme Bewegung in Thüringen und speziell in der Landeshauptstadt Jena. Er berichtete unter anderem im Antifaschistischen Infoblatt #82 über die Situation in Thüringen.

NPD-BLOG.INFO: Wie ist die NPD in Jena aufgestellt?

Max Bauer: Angesichts latenter interner Konflikte in der NPD-Thüringen, fehlender Kader sowie der nicht übermäßigen Erfolgsaussichten auf kommunaler Ebene tritt die NPD zu den kommenden Wahlen in Jena nicht an. Beim „Fest der Völker“ wurde in Jena die Zivilgesellschaft gegen die NPD mobilisiert; eine Rolle als „unerkannter Rattenfänger“, Protestpartei oder ähnliches wird die NPD angesichts der Sozialstruktur im vom Einfluss der Universität geprägten Jena derzeit nicht einnehmen können.

Dies hat auch die lokale Führungsriege verstanden. Die Vordenker, insbesondere Ralf Wohlleben und Nico Schneider, haben sich als Kameradschaft “Nationaler Widerstand Jena” (der schon immer mit der lokalen NPD & JN weitestgehend identisch war) dem “Freien Netz” angeschlossen, was sicher nicht zuletzt auch auf die hervorragenden Kontakte zu Thomas Gerlach in Altenburg zurückzuführen ist. In diesem Rahmen fixieren sie sich immer stärker auf „subversive“ Aktivitäten, wie Aufkleber, das Verschließen des Rathauses mit Fahrradschlössern von außen bei einer Veranstaltung zum Umgang mit der Bombardierung Dresdens und eben derzeit eskalierender Gewalt.

NPD-BLOG.INFO: Welche Rolle spielt das „Braune Haus“?

Bauer: Angesichts der vergleichsweise heftigen Gegenwehr haben die Nazis nun auch verstanden, hier ihren einzigen Vorteil für sich zu nutzen: Das seit 2002 bestehende “Braune Haus” im Stadtteil Altlobeda ist derzeit stärker denn je von Jugendlichen aus Jena und der Umgebung frequentiert. Diese, vor allem männlichen, Jugendlichen sind von den Nazis mehr oder weniger direkt von der Straße geholt worden, mit Angeboten wie Räumen zum Besaufen, dem Kaufen von “Hartalk” für Minderjährige, Bandproberaum und anderem. Entsprechend wenig politisiert sind sie oftmals und vor allem “erlebnisorientiert”. Auch eine veränderte Polizeitaktik spielt den Rechten hier in die Hände: Seit wenigen Monaten erst schirmt die Polizei das “Braune Haus” bei Veranstaltungen derart martialisch mit Gittern und Hunden ab, dass Proteste nicht mehr sinnvoll sind und ein reines Schaulaufen für die Anti-Antifa-Kameras darstellen. So führen die Nazis hier offen beworbene Veranstaltungen bspw. mit Horst Mahler oder Jürgen Rieger ab.

NPD-BLOG.INFO: Welche Auswirkungen hat die relative Schwäche der NPD?

Bauer: Die verminderte Bedeutung der NPD hat dazu geführt, dass einige andere vorhandene jugendliche Nazicliquen, die früher politisch nicht aufgetreten sind, attraktiver werden. Durchaus flexibel formulieren die Schreiberlinge der Nazis (Nico Schneider, Ralf Wohlleben, Andre Kapke) im Internet nun auch ihre Berichterstattung gewaltverherrlichender, rebellischer und verspielter als vor einigen Monaten, als sie vor allem versuchten den Schein von Seriosität zu vermitteln. Nach zahlreichen Aktionen gegen die Nazis scheinen sie zu dem Schluss gekommen zu sein, zunächst im “Kampf um die Straße” in die Offensive zu gehen, um hier Nachwuchs zu rekrutieren und GegenaktivistInnen einzuschüchtern und somit eigene Handlungsräume zu erstreiten.

NPD-BLOG.INFO: Und wie sieht der großspurig angekündigte Wahlkampf der NPD bislang aus?

Bauer: Vom Wahlkampf seitens der NPD ist in Thüringen derzeit kaum etwas zu spüren – im Gegenteil scheinen die Nazis ihre Aktivitäten auf das Sammeln von Unterstützungsunterschriften zum Wahlkampfantritt in den Kommunen zu beschränken. Dies liegt zum einen an finanziellen und personellen Engpässen infolge der internen und externen Parteistreitereien und zum anderen eben an der Vorbereitung des “richtigen” Wahlkampfes. Womöglich ist dies die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Zumindest in Jena ist die Partei derzeit nicht aktiv. Es sieht auch nicht so aus, als würde von hier aus eine intensive Unterstützung des Landes- bzw. Bundestagswahlkampf erfolgen. Insofern besteht seitens der lokalen Kader kein Interesse, die hiesigen Freien zu disziplinieren. Auch in anderen Regionen arbeiten sie ohnehin so eng miteinander zusammen, dass größere Konflikte vor dem Wahlkampf nicht zu erwarten sind. Wahrscheinlicher ist, dass Freie den Wahlkampf der NPD durch Hilfe beim Plakatieren und Schutz von Infoständen aktiv unterstützen werden.

NPD-BLOG.INFO: Welche Rolle spielt Landeschef Frank Schwerdt, der auch in der Bundespartei viele Aufgaben übernimmt?

Bauer: Schwerdt ist der fürsorgliche und wenn nötig strenge Schirmvater der Partei in Thüringen. Er vermittelt in Konflikten zwischen Landesvorstand und Kreisverbänden und gibt rechtlichen Rat. Als Vermittler ist die derzeitige relative Ruhe im Landesverband sein Verdienst. Ansonsten wird er – als einziger wirklich erfahrener Politiker – die Gallionsfigur im Wahlkampf darstellen.

Vielen Dank für das Gespräch

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