Nach Überfall auf Diabolos in der Sachsenstube – “Rivalität soll auf Sport konzentriert bleiben”

(LVZ, 12. Dezember 07)
DREI FRAGEN AN ...
Sportbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke)
In einer Zeitung werden Sie so zitiert: "Wir haben kein Problem mit der
Gewaltbereitschaft im Leipziger Fußball, nur mit der Berichterstattung
in den Medien." Verharmlosen Sie damit nicht die aktuellen Ereignisse?

Bestimmt nicht. Zunächst einmal: Ich bin ich aus einem Gespräch heraus
falsch zitiert worden. Ich bemühe mich deshalb um Klärung. Zum
Verharmlosen gibt es natürlich keinen Anlass. Was sich da in der
Sachsenstube ereignete ist schlimm genug und ich verurteile es zutiefst.
So schlimm, dass die Medien darüber ausführlich berichten mussten. Was
passt Ihnen daran nicht?

Es ist dann in Ordnung, wenn sachlich die Vorgänge, soweit die derzeit
bekannt sind, geschildert werden. Wenn das Ganze aber in Hysterie
ausartet, der Eindruck erweckt wird, der Bürger könne sich nicht mehr
auf die Straße oder in Gaststätten trauen, dann ist das falsch. Wohl
wissend, das Gewalttätige in diesem Zusammenhang erheblichen Schaden
anrichten können oder schon angerichtet haben.

Dass in Leipzig derzeit der Fußball in ein schlechtes Licht gerückt ist,
können Sie aber nicht bestreiten?


Es ist tatsächlich eine Schieflage entstanden, die wir mit vereinten

Kräften wieder zurechtrücken müssen. Mit allen zur Verfügung stehenden

Mitteln, besonders aber der Prävention. Deshalb auch die Beratungen

insbesondere im Kriminalpräventiven Rat. Und was die aktuellen Vorgänge

betrifft, auch mit der konsequenten Ahndung bei den festgestellten

Straftaten.

Interview: Eberhard Schmiedel

--

II

Emotionale Fan-Aussprache nach brutalem Überfall in der Sachsenstube

Leipzig. Tag drei nach dem Überfall auf die Teilnehmer einer

Weihnachtsfeier der Fan-Gruppe "Diablos" des FC Sachsen Leipzig. Bisher

konnten verschiedene Spuren und mögliche Spurenträger sichergestellt

werden, wie die Polizei mitteilt. "Allerdings", muss Sprecher Andreas de

Parade auch nach den gestrigen Ermittlungen feststellen, "ist die

Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Polizei nach wie vor äußerst

zurückhaltend." Schwierige Bedingungen also, um eine qualifizierte

Tatortarbeit zu ermöglichen. Auch deshalb werde die Aufklärung der

Übergriffe noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Noch aber fehlen konkrete Aussagen zu den brutalen Attacken der etwa 40

Vermummten am Samstagabend gegen Männer, Frauen und Kinder in der

Sachsenstube. Den Opfern fehlt offensichtlich der Mut, sich den Behörden

anzuvertrauen. Dabei versichert die Polizei, dass alle, die aussagen,

Schutz vor Repressalien genießen.

Zu einer erregten Debatte kam es gestern in der Arena, als Sachsen-Fans

versuchten, mit Präsident Winfried Lonzen und Sportbürgermeister Heiko

Rosenthal die Sonnabend-Ereignisse auszuwerten. "Es gab massive

Irritationen", erklärte Rosenthal zu seinen Äußerungen in der Chemnitzer

Freien Presse, die seiner Meinung nach missverständlich wiedergegeben

wurden. "Ich verstehe jedoch, dass gegenwärtig Augenzeugen und Opfer des

Überfalls sehr emotional auf jede Äußerung reagieren." Rosenthal nimmt

vor allem die Forderung mit, mehr für die Vorbeugung, also die

präventive Arbeit, in den Fan-Gruppierungen tun zu müssen. "Das bleibt

als Auftrag", so Rosenthal. Von "ungenügend" bis "völlige Fehlplanung"

reichte das Meinungsspektrum bei den aufgebrachten Fans.

Gestern tagte auch die AG Fußball und Sicherheit im Ordnungsamt, eine

Arbeitsgruppe Leipziger Verantwortlicher, die sich um Ordnung und

Sicherheit und vor allem die Fanarbeit zwischen den rivalisierenden

Gruppen des FC Sachsen und 1. FC Lok Leipzig bemühen. Dabei sprachen

auch Lonzen und Steffen Kubald (Lok), die beiden Vereinschefs, über das

Verhältnis ihrer Klubs. In einem gemeinsamen Papier sollen Grundregeln

der Beziehungen festgeschrieben werden. Der Lok-Vorsitzende dazu:

"Rivalität wird es immer geben, aber sie muss sich aufs Sportliche

beschränken und darf nicht in terroristischen Überfällen enden." Kubald

hatte angekündigt, dass bei erwiesener Beteiligung von Lok-Hooligans

Hausverbot erteilt werden. Sachsen-Präsident Lonzen appellierte bei der

gestrigen Zusammenkunft an Fangruppen-Mitglieder, sich nicht zu

Racheakten hinreißen zu lassen. "Strafverfolgung ist immer noch Sache

der Behörden", erklärte er.

Die Mitglieder der AG Fußball bestärken außerdem die Vereine, die Arbeit

der Fanprojekte weiter zu fördern. Gewalttätern dürfe keine Plattform

gegeben werden, sie seien auszugrenzen. Denen aber, denen noch zu helfen

ist, solle auch geholfen werden. Einig war sich der Expertenkreis, dass

der gesetzliche Rahmen zur Bestrafung von Gewalttätern konsequent

ausgeschöpft werden soll. Ein Arbeitspapier mit diesem Passus wird

demnächst verabschiedet.

Eberhard Schmiedel/Steffen Enigk
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