Sächsische Zeitung 19.07.08

Nach Döneranschlägen

von Alexander Schneider

Die Polizei fasst zwei junge Männer aus Dresden und Freital. Beide stammen aus der Türsteher-Szene.

Spektakuläre
Festnahme in der Friedrichstadt: Bereits am Mittwochnachmittag stoppten
plötzlich mehrere Polizeiautos auf der Hamburger Straße. Sie kamen aus
allen Richtungen. Mehr als ein Dutzend Beamte sprangen heraus und
überwältigten mit gezogenen Pistolen einen 21-jährigen Dresdner. Der
Mann heißt Willy K. und war den Beamten bestens bekannt. Erst am Morgen
hatten sie seine Wohnung durchsucht – und ihn seitdem wahrscheinlich
nicht mehr aus den Augen gelassen.

Willy K. ist ein mehrfach vorbestrafter Gewalttäter mit guten
Verbindungen in die rechtsextreme Szene. Er war sowohl bei Übergriffen
von Fußball-Chaoten als auch von Nazis auf Polizisten dabei. Nun steht
er im Verdacht, vor drei Wochen bei den ausländerfeindlichen Überfällen
auf türkische Dönerläden in der Dresdner Neustadt beteiligt gewesen zu
sein, kurz nach dem Halbfinale Deutschland – Türkei während der
Fußball-Europameisterschaft.

Wegen offensichtlicher Wiederholungsgefahr erließ der Haftrichter am
Donnerstag einen Haftbefehl gegen Willy K. Seitdem sitzt er in
Untersuchungshaft. Nach Angaben seines Verteidigers Frank Hannig hat
sich der Verdächtige bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Ebenfalls festgenommen wurde Ronny B. aus Freital. Auch er wird
verdächtigt, an den Übergriffen auf die türkischen Geschäfte beteiligt
gewesen zu sein. Und auch er stammt wie Willy K. aus der Dresdner
Türsteher-Szene. Allerdings ist Ronny B. nicht einschlägig
polizeibekannt. Der gegen ihn beantragte Haftbefehl kam nicht zustande.
Ronny B. bestreitet die Tat.

Ein gezielter Angriff

Inzwischen ist sich die Polizei sicher: Der Überfall auf die türkischen
Geschäfte war eine gezielte Aktion. Die Polizei hat den Tathergang in
etwa rekonstruiert. Danach sollen sich die Täter in einer Kneipe am
Straßburger Platz, nahe des Dynamo-Stadions, getroffen haben, um von
dort in die Neustadt zu ziehen. 20 bis 30 Vermummte mit Stangen hätten
dann wenige Minuten nach dem Spiel drei Geschäfte auf dem Albertplatz
und in der Alaunstraße überfallen, Scheiben eingeschlagen, Böller auf
Menschen geworfen und wüst randaliert. Kurze Zeit später waren sie
verschwunden.

Am nächsten Tag gründete die Polizei eine zehnköpfige
Ermittlungsgruppe. Doch es gab nur wenige Hinweise. Obwohl die Neustadt
in jener Nacht gut besucht war, meldeten sich in der ersten Woche kaum
ein Dutzend Zeugen.

Ein vertraulicher Hinweis

Trotzdem gerieten die Verdächtigen nun durch einen Zeugen ins Visier
des Staatsschutzes. Oberstaatsanwalt Christian Avenarius: „Wir haben
einen vertraulichen Hinweis aus der Hooligan-Szene erhalten. Fest
steht, das war keine spontane Zusammenrottung. Ziel der Täter war es,
durch eine ausländerfeindliche Tat Unruhe zu stiften. Sie wollten die
Dresdner und die Ausländer einschüchtern. Wer so etwas macht, muss
rechtsradikal sein.“ Die bisher ermittelten Details legen zudem nahe:
Es gibt eine Verbindung zwischen Rechtsextremisten, gewaltbereiten
Fußball-Hooligans und privaten Sicherheitskräften. So sollen beide
Verdächtige bei einer Dresdner Sicherheitsfirma gearbeitet haben, die
auch im Dynamo-Stadion für Ordnung sorgt. Ronny B. wurde nach
Informationen der SZ entlassen, als ein erster Verdacht gegen ihn laut
wurde. Interessanterweise hatte Willy K. sogar Stadionverbot.

Die Ermittlungen in dieser Szene sind allerdings aufwendig. „Es ist ein
schwieriges Verfahren“, so Avenarius. Auch wohl deshalb hat die Polizei
am Freitag den Fahndungsdruck auf die Täter erhöht. Sie gründete die
Sonderkommission „Halbfinale“. 16 Beamte ermitteln nun im Umfeld der
Anschläge.

Die Überfälle auf die türkischen Restaurants hatten deutschlandweit für
Aufsehen gesorgt. Viele Dresdner hatten an den darauffolgenden Tagen
ihre Solidarität mit den Imbissbesitzern gezeigt.

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