Selbstmord im Asylsuchendenheim Frankenau (SN)

"Die Unterbringung in Mobendorf lässt kaum Wünsche offen!"

Im Asylsuchendenheim Frankenau nahm
sich eine 32-jährige Frau am 24. August das Leben. Aufgrund der stark
rückläufigen Zahlen der Asylsuchenden soll das Heim geschlossen werden,
am Montag folgte die Räumung. Dagegen wehrte sich die Frau.
Seit das Grundrecht auf Asyl 1993 faktisch abgeschafft wurde, ist es
für Flüchtlinge kaum noch möglich, in Deutschland Asyl zu bekommen.
Wurden Anfang der 90er Jahre noch über 300′000 Anträge gestellt, waren
es in den letzten Jahren nur noch etwa 30′000. Im Jahr 2006 wurden von
diesen ganze 251 anerkannt, das entspricht einer Rate von 0,8%. Nur bei
nachgewiesener politischer oder sexueller Verfolgung wird Asyl gewährt.
Dieser Nachweis ist oft sehr schwierig und mit großen Belastungen
verbunden. (wenn z.B. eine (drohende) Vergewaltigung oder Beschneidung
nachgewiesen werden soll)
Außerdem können Flüchtlinge aufgrund der so genannten „Drittstaatenregelung“
in andere EU-Länder abgeschoben werden, wenn sie von dort, nach
Deutschland gekommen sind. Diese Regelung gilt für alle EU-Staaten.
Kettenabschiebungen nach Griechenland oder Spanien sind die Folge.
Momentan wird daran gearbeitet, auch Nordafrikanische Staaten als
„sichere Drittstaaten“ anzuerkennen, um Flüchtlinge dorthin zurück
schieben zu können. mehr Infos

Die
Bearbeitungszeit für einen Antrag auf Asyl, kann sehr lange dauern.
Während dieser Zeit sind die Flüchtlinge meistens in Sammelunterkünften
untergebracht. In Mittelsachsen gibt es momentan drei
Asylbewerberheime. Döbeln mit einer Kapazität für 250 Personen,
Mobendorf für 230 und Freiberg für 160 Personen. Unwürdige Zustände in
den Heimen und Restriktionen im gesamten Alltag prägen das Leben der
Asylsuchenden. Aufgrund der Residenzpflicht,
die es in dieser Form nur in Deutschland gibt, dürfen sie den ihnen
zugeteilten Landkreis nicht verlassen. Für viele herrscht
Arbeitsverbot. Einkaufen können Asylsuchende oft nur mit so genannten
„Lebensmittelkarten“ in noch dazu überteuerten Geschäften. mehr Infos

Die
Menschen, denen kein Asyl gewährt wird, werden irgendwann abgeschoben.
Das sind oft Menschen, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, die
deutsche Sprache beherrschen, hier arbeiten und sich einen
Freundeskreis aufgebaut haben. Sie sollen in Länder zurück, aus denen
sie geflohen sind, wo sie verfolgt worden und wo sie sich längst fremd
fühlen, wo sie niemanden kennen. Abschiebungen werden von der Polizei
meist Nachts und mit großer Brutalität ausgeführt. Dabei werden
Familien getrennt und der Besitz der Menschen beschlagnahmt. Auch die
Kosten für die Abschiebung müssen sie tragen.

Die 32-jährige
Frau sollte in das Heim in Mobendorf (siehe Bilder) gebracht werden.
Der Leiter des Heims, Dieter Weinberger dazu in der Freien Presse vom
26. August: „Eine solche Reaktion, so Weinberger, habe jedoch
niemand erwartet, zumal die Art Unterbringung in Mobendorf kaum Wünsche
offen lasse. ‚Alle Neuankömmlinge werden in renovierten Bungalows mit
60 Quadratmetern Grundfläche wohnen.‘“

Das Heim in
Mobendorf liegt unerreichbar mitten in der Pampa, ein Bus kommt selten,
die nächsten Dörfer und Städte sind viele Kilometer entfernt. Außer dem
Heim und den Bungalows, gibt es dort nichts.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

lassen laut Weinberger keine Wünsche offen: Bungalows in Mobendorf

 

Presseerklärung des sächsischen Flüchtlingsrat vom 25.08.2009

Restriktive Unterbringungspolitik tötet Mutter von drei Kindern –
Deeskalierendes, humanitäres Verhalten der Behörde hätte Drama verhindert

Gestern
Mittag verstarb im Krankenhaus Mittweida Frau A.T., Mutter von drei
Kindern im Alter von 10, 7 und 3 Jahren an einer Überdosis von
Medikamenten. Vor den Augen von zwei Mitarbeitern der Ausländerbehörde
nahm sie die Tabletten ein, um einen Umzug der Familie in das
Asylbewerberheim Mobendorf zu verhindern. Die Mitarbeiter der Behörde
unterließen jegliche Hilfeleistungen.

Hintergrund:

Das
Asylbewerberheim Frankenau sollte zum Monatsende geschlossen werden.
Ein Teil der Bewohner fand bereits am 19.08.2009 ihre Unterkunft im
Asylbewerberheim Döbeln. Die weiteren Bewohner hatten die Auflage zum
gestrigen Tag, dem 24.08.2009 nach Mobendorf zu ziehen.

Schon
in der Vergangenheit hatte die Familie einen Antrag auf dezentrale
Unterbringung aus gesundheitlichen und humanitären Gründen gestellt,
welcher jedoch von der Behörde abgelehnt wurde. Im Vorfeld der
geplanten Schließung bat die Familie erneut um eine Unterbringung in
einer Wohnung, entsprechende ärztliche Atteste lagen vor und
bestätigten die Dringlichkeit, insbesondere im Hinblick auf die
medizinisch festgestellte Suizidalität von Frau A.T.

Am Tag des
Umzugs bat A.T. noch einmal eindringlich die anwesenden Mitarbeiter der
Ausländerbehörde nicht nach Mobendorf ziehen zu müssen, sondern bis zur
Entscheidung ihres Antrages in das Asylbewerberheim in Döbeln ziehen zu
dürfen. Der Ehemann sprach von „Betteln“ und berichtete, dass seine
Frau auf die Knie gegangen sei und den Mitarbeitern die Hände geküsst
habe. Als dies kein Verständnis hervorrief, habe sie sich mit beiden
Händen das Gesicht blutig gekratzt und vor den Augen der
Behördenmitarbeiter sowie der Heimleiterin eine nicht unerhebliche Zahl
an Tabletten eingenommen. Schließlich brach sie in Anwesenheit ihres 10
jährigen Sohnes zusammen. Ein beruhigendes und deeskalierendes
Einwirken der Mitarbeiter der Behörde ist nach unserem Kenntnisstand
nicht erfolgt. Selbst als der Ehemann um Hilfe bat, nachdem er im
Zimmer der Familie eine große Anzahl von leeren Medikamentenschachteln
vorfand, wurde durch die Behördenmitarbeiter weder selbst erste Hilfe
geleistet, noch der Notarzt gerufen. Statt dessen wurde der Ehemann
darauf verwiesen seine Frau selbst ins Krankenhaus zu fahren. Er selbst
informierte zunächst den Krankenwagen, die Polizei sowie den
behandelnden Arzt, wobei kostbare Zeit verstrich, bevor er dann mit
seiner Frau im eigenen Auto nach Mittweida fuhr. Während seine Frau mit
dem Tode rang, wurde von ihm noch verlangt den Umzug fortzusetzen und
seine Dinge von Frankenau nach Mobendorf zu bringen. In dieser Zeit
verstarb Frau A.T. im Krankenhaus.

„Ein solches Drama wäre zu
vermeiden gewesen“ sagt Ali Moradi vom Sächsischen Flüchtlingsrat e.V.
(SFR). Nach Ansicht des SFR hätte der Familie im Zuge der
Wohnheimschließung längst eine Unterbringung in einer Wohnung
ermöglicht werden sollen, die entsprechenden Voraussetzungen lagen vor.
Der geforderte zwischenzeitliche Umzug in ein anderes Asylbewerberheim
war überflüssig. Der Suizid der Frau als Folge dessen ist ein weiteres
Beispiel für die restriktive Unterbringungspolitik in Sachsen.

gez. Sibylle Wunderlich
SFR-Vorsitzende

 

Mit Dank an afg.blogsport.de

This entry was posted in Allgemein, Antirassismus, Dokumentiert, Region. Bookmark the permalink.