Folgestudie von Oliver Decker veröffentlicht

Leipziger Forscher: Ausländerfeindlichkeit weiter verbreitet als vermutet

http://library.fes.de/pdf-files/do/05433.pdf

Leipzig. Ausländerfeindlichkeit ist einer Studie zufolge in Deutschland
wesentlich verbreiteter als bislang angenommen. Teilnehmer einer
Gruppendiskussion hätten ablehnende Haltungen gegenüber Ausländern "mit
besorgniserregender Selbstverständlichkeit geäußert – auch bei Personen,
die in einer ersten Studie nicht durch rechtsextreme Einstellungen
aufgefallen waren", sagte am Mittwoch der Psychologe Oliver Decker von
der Universität Leipzig. "Immer dann, wenn der Wohlstand als Plombe
bröckelt, steigen aus dem Hohlraum wieder antidemokratische Traditionen
auf", sagte Decker. Die Ergebnisse der im Auftrag der
Friedrich-Ebert-Stiftung entstandenen Studie sollten am Abend in Berlin
vorgestellt werden.

Rechtsextremes Gedankengut sei in der Nachkriegszeit in beiden Teilen
Deutschlands nur aus der Mitte der Gesellschaft verdrängt worden. Der
mit dem Wirtschaftswunder in Westdeutschland relativ schnell einsetzende
Wohlstand habe weder für Nachdenklichkeit noch für Scham Raum und Zeit
gelassen, sagte Decker weiter. Eine ähnliche Entwicklung hätten sich
Ostdeutsche nach der Wende erhofft. Die Enttäuschung dieser Erwartung
hätten sie dann aber mit Politik- und Demokratieverdrossenheit beantwortet.

Für die Studie hatten Psychologen und Soziologen der Universität Leipzig
im Jahr 2006 zunächst 5000 Deutsche bundesweit auf ihre Zustimmung oder
Ablehnung zu rechtsextremen Aussagen befragt. In einer zweiten Runde
wurden später 150 Teilnehmer nach unterschiedlichen Kriterien ausgewählt
und zu Gruppendiskussionen eingeladen.

Angst und Anpassungsdruck würden Rechtsextremismus schüren, sagte der
Forscher an der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische
Soziologie. "Erschreckend war für uns, wie gern die Befragten auch die
bescheidenste Demokratie gegen autoritäre Strukturen eintauschen würden,
in denen vermeintlich Ordnung, Ruhe und Chancengleichheit herrscht",
sagte Decker. Viele junge Leute hofften auf "irgendeinen Führer". Für
Menschen mitten im Leben sei Politik ohnehin nur Lug und Trug, während
die Älteren die klaren Regeln ihrer Jugend ý im Osten die Repressalien
in der DDR, im Westen die Nazizeit – als Vorbild heranzögen.

dpa

http://library.fes.de/pdf-files/do/05433.pdf

This entry was posted in Allgemein. Bookmark the permalink.