Welt-Online 01.09.09

Krawalle bei Naziaufmarsch für Michelle befürchtet

Im Mordfall der achtjährigen Michelle aus Leipzig hofft die Polizei auf
neue Erkenntnisse durch Funde eines Kinderfahrrads und eines Stuhls.
Die Polizei hat aber noch ein anderes Problem: Rechtsextreme wollen den
Fall erneut für eine Demonstration nutzen. Und die Antifa will das
notfalls mit Gewalt verhindern.

Ein rotes Kinderfahrrad, ein Radanhänger
älterer Bauart und ein Stuhl würden derzeit „kriminaltechnisch“ untersucht,
sagte ein Polizeisprecher. Wann die Ergebnisse vorliegen werden, blieb bis
zum Sonntagabend indes unklar.

Die Polizei befürchtet unterdessen Krawalle am Rande einer von der
rechtsextremen Szene für Montag angekündigten Demonstration. Eine Sprecherin
der Leipziger Antifa kündigte „Gegenaktionen“ an, „um den Naziaufmarsch zu
verhindern“. Die Stadt will durch Auflagen eine Vereinnahmung des Falls
durch die Rechtsextremen verhindern.

Am Sonntag befragten Zivilbeamte der Sonderkommission Michelle in der Umgebung
des Tatorts Spaziergänger, Kleingärtner und Passanten. Zudem wurde in
weiteren Altkleidercontainern nach der immer noch vermissten Jacke und
Tasche des Mädchens gefahndet. Die Achtjährige war von den Eltern am 18.
Juli als vermisst gemeldet worden, nachdem sie nach den Ferienspielen nicht
nach Hause gekommen war. Am 21. Juli fand ein Spaziergänger ihre Leiche in
einem Teich in Leipzig. Die Polizei geht von einem Gewaltverbrechen aus.

Bislang stehe nicht fest, ob es bei den am Freitag
in der früheren Gärtnerei entdeckten Gegenständen Verbindungen zum Fall
Michelle gebe, hieß es weiter. Die Gärtnerei befindet sich in Leipzig
zwischen dem Wohnhaus der Eltern des Mädchens und dem Fundort von Michelles
Leiche.

Polizeipräsident Horst Wawrzynski forderte die Demonstranten am Montag zu
friedlichem Verhalten auf. Die Polizei werde „konsequent“ reagieren,
„sollten sich potenzielle Störer nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten“.
Zugleich wies er darauf hin, dass wegen mehrerer Anmeldungen und des deshalb
nötigen Polizeieinsatzes die Soko Michelle zumindest vorübergehend personell
geschwächt sein werde. Bereits am Freitag hatte Wawrzynski den geplanten
Protest eines Bürgerbündnisses gegen die Demonstration der rechtsextremen
Szene kritisiert. Dadurch würde dieser ein Podium geboten.

Die Leipziger Antifa kündigte indes „dezentrale
Gegenaktionen“ an. Nach ihren Angaben nutzte die rechtsextreme Szene den
Fall Michelle bereits zu zwei sogenannten Trauermärschen mit zusammen mehr
als 1000 Teilnehmern.

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