22. März 09 – AntiraDemo in Wurzen

Rassistenzone Sorglosland – Es gibt kein ruhiges Hinterland

wurzen.blogsport.de

In
den vergangenen vier Jahren fand in zeitlicher Nähe zum
„Internationalen Tag gegen Rassismus“ der so genannte „Antirassistische
Sonntagsspaziergang“ statt. In diesem Jahr soll daraus eine kraftvolle
Demonstration werden, die die Aktivitäten von Nazis in Wurzen wie auch
den rassistischen Alltag in Deutschland ins Visier nimmt.

Naziszene in Wurzen – heute und gestern

Schon seit Anfang der 90er Jahre gibt es in Wurzen eine Neonaziszene,
die durch Übergriffe auf MigrantInnen, Andersdenkende und alternativ
aussehende Menschen, durch rechte Graffitis, Aufkleber und durch
Nazikonzerte im Umland auf sich aufmerksam macht. Dabei steht Wurzen
„nur“ beispielhaft für die Verhältnisse im Landkreises Leipzig.
Erinnert sei an Colditz, wo im vergangenen Jahr ein wahrlicher
Naziterror ausgeübt wurde, Borna, wo die „Gedächtnisstätte“ sich als
Zentrum von Holocaustleugnern etabliert oder Koltzschen, wo die
„Heimattreue Deutsche Jugend“ 2008 ein Sommerlager durchführte.

In
den 1990er Jahren erfuhr Wurzen aufgrund der massiven Nazibedrohung und
des Versagens der Politik, dieser zu begegnen, bundesweite
Aufmerksamkeit. Wurzen galt als DAS Beispiel für Nationalbefreite Zonen
in Deutschland.

Mit dem Naziversandhandel „Front Records“
stellt Wurzen auch heute eine wichtige Schaltstelle für Nazistrukturen
dar. Das von Thomas Persdorf betriebene Label ist das bundesweit
viertgrößte seiner Art. „Front Records“ wartet vorrangig im Internet
mit einer breiten Palette von den Nationalsozialismus verherrlichenden,
rassistischen und gewaltverherrlichenden Accessoires auf. Persdorf,
langjähriger Naziaktivist, ist Organisator diverser
Nazimusikveranstaltungen und finanzierte unter anderem die so genannte
Schulhof-CD von Freien Kameradschaften , „Anpassung ist Feigheit“, mit.
Mit Lifestyle- und Kultur-Angeboten bietet insbesondere „Front Records“
verschiedensten Milieus Möglichkeiten ihre politische Gesinnung und
Gewaltaffinität plakativ nach außen darzustellen und hat damit
erheblichen Anteil an der Politisierung von Subkulturen.

„Front
Records“ & Co waren auch Themenschwerpunkte des Antirassistischen
Sonntagsspaziergangs 2008. Während der gesamten antifaschistischen
Aktion versuchten ca. 70 Nazis mehrmals die DemonstrantInnen
anzugreifen. Vor Ort war auch der die Demonstration abfotografierende
NPD-Stadtrat, Wolfgang Schroth. Die Polizei war mit 44 Beamten deutlich
in der Unterzahl. Einige WurznerInnen hatten zudem nichts Besseres im
Sinne als die AntifaschistInnen zu beschimpfen.

Doch nicht
nur die organisierte Naziszene hat sich in der Stadt gefestigt. Ihre
weitestgehend unwidersprochene Etablierung ist eng mit Desinteresse und
Ignoranz der Stadtgesellschaft verknüpft. Ein nicht unbeträchtlicher
Teil der WurzenerInnen ergreift ganz bewusst Partei für rechte
Einstellungen. Zu den Kommunalwahlen 1999 konnte die NPD mit 5.1 % in
den Stadtrat von Wurzen einziehen. 2004 maximierte sie ihren
Stimmanteil auf 11.8 %. Derzeit sitzen drei NPD‘ler unter dem Vorsitz
von Wolfgang Schroth im Stadtparlament.

Rassismuszone – Sorglosland

Die
NPD formuliert mit ihren Forderungen nach einem „Deutschland für
Deutsche“ das, was in weiten Teilen der Bevölkerung gedacht wird.
Umfragen und Studien belegen immer wieder, dass rassistische
Einstellungen unter den Deutschen weit verbreitet sind. Die tief im
kollektiven Bewusstsein verankerte Überhöhung der eigenen Nation und
die Vorstellung, dass Menschenrechte sich aus der blutsmäßigen
Zugehörigkeit zu einer nationalen Gemeinschaft ergeben, sind die
Vorbedingung dieses „normal“-rassistischen Denkens. Neonazis setzen
diese Ideologie gewalttätig in die Tat um – fast jeden Tag wird in
Deutschland ein Mensch Opfer rechter Gewalt, während der Rest „nur“ am
Stammtisch hetzt und der Staat per Gesetz handfeste Realitäten schafft.
So basiert das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht in Grundzügen immer
noch auf dem blutsmäßigen Abstammungsprinzip. Hohe Hürden machen
Zuwanderung de facto unmöglich. Nichtmal jedeR Hundertste der
AntragstellerInnen in Deutschland bekommt Asyl bewilligt.
Nur wer vor deutschen Behörden nachweisen kann, dass er vom
Herkunftsstaat verfolgt wurde, bekommt Asyl. Aber auch nur dann, wenn
der oder die Betroffene nicht über einen „sicheren Drittstaat“ wie die
EU-Staaten eingereist ist.
Tausende von AsylbewerberInnen leben in Deutschland unter
menschenunwürdigen Bedingungen – ohne Arbeitsgenehmigung, eingesperrt
in heruntergekommenen Wohnheimen, eingeengt durch die so genannte
„Residenzpflicht“ – tagtäglich von Abschiebung bedroht. Befördert wird
in Deutschland lediglich die Einwanderung sehr gut ausgebildeter
Fachkräfte. Der Widerstand gegen die rassistischen Zustände muss vor
diesem Hintergrund über humanistische Forderungen nach menschenwürdigen
Lebensbedingungen hinausgehen. Migration ist oft Folge kapitalistischer
Ausbeutungsverhältnisse, beispielsweise als Flucht vor Armut;
MigrantInnen sind andererseits wieder Objekte kapitalistischer
Ausbeutung. Sie werden im kapitalistischen Interesse dem
Verwertungsprozess zugeführt oder aber durch tödliche Grenzanlagen
abgewehrt. Staatlicher Rassismus bleibt in diesem Sinne ein Phänomen
des Kapitalismus. Dies unterscheidet ihn vom völkischen deutschen
Rassismus.
Das Ziel muss es darum sein, jene kapitalistischen Zustände abzuschaffen, die diesen Rassismus hervorbringen.

Wir
sind nicht bereit, diese Verhältnisse in Wurzen und anderswo länger
hinzunehmen. Wir werden die Nazistrukturen und den rassistischen
Konsens überall aufdecken und mit allen Mitteln bekämpfen!

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In diesem Sinne rufen wir für den 22.3.09 nach Wurzen auf:

Den
Nazis das Hinterland versauern, „Front Records“ & Co eine klare
Absage erteilen und dem Klima von Ignoranz und Schweigen entgegentreten!

22.März – 14Uhr – Wurzen Bahnhof

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