Colditz goes 90er Jahre, fast!

Historical Backspin Colditz [2. Update]

Antirassistische Fußballturnier in Colditz verboten. Bürgermeister und Polizei üben sich in Repression und Relativierung.

2. Update: Stadt und Polizei versuchen alternativ angemeldete Kundgebung zu verhindern

Update: LVZ Muldental vom 17.09.09

Anfang der 90er, kurz nach dem Mauerfall, brach sich der deutsche Nationalismus Bahn. Offen ausgetragener Rassismus und Nationalismus auf den Straßen der neuen Bundesländer waren an der Tagesordnung. Die (bisherige) maximale Ausprägung: Rostock-Lichtenhagen. Nazis führten das aus, was die breite Bevölkerung (zunächst nur) zu denken wagte und schritt dann auch selbst zur Tat. 

Mehr als 20 Jahre später und kein Stück besser, sind die Einstellungsmuster noch immer die gleichen. Die gewaltvolle Ausführung dessen, was von der Mehrheitsbevölkerung gedacht wird, wird durch einen normativen (Staats)Antifaschismus (a la Nazifreies geläutertes Deutschland) mäßig unterdrückt. 

 Heute: Die Tendenzen der letzten Jahre in der ostdeutschen Provinz (und auch in den Großstädten) zeigen aber deutlich, dass sich da aber auch gar nichts verändert hat. Nazis jagen und verprügeln alles was nicht "Volksgemeinschaft" sein will. Die Bevölkerung…nun ja, das hatten wir schon. Die Verantwortlichen üben sich in Relativierung und Ablenkung von den "Vorkommnissen". Als "Gegenmaßnahme" wird dann erstmal der alternative Jugendclub dicht gemacht, denn der ist ja auch wirklich nur Provokation für die Nazis "Jungs und Mädels" aus unserem Dorf.

Und wird heute mal eine Projektwoche veranstaltet, die die deutschen Zustände thematisieren will, dann…riecht es verdammt nach den 90ern. 

Es ist nun offiziell:
 Der Colditzer Bürgermeister untersagt in Zusammenarbeit mit der Polizei das antirassistische Fussballturnier am 22.August auf dem Colditzer Sportplatz eine Woche vor der Durchführung! Aufgrund von befürchteten Randalen und Sachbeschädigungen kündigt die Stadt Colditz ihren Mietvertrag des Colditzer Sportplatzes mit den Organisatoren des alternativen Fussballturniers, bei dem u.a. Organisationen, wie „Meine Stimme gegen Nazis“ und Gruppen/Vereine, wie der „Freiräume Muldental“ als Initiator und die „Gruppe 468“, sowie der „Courage e.V., das Ndk Wurzen u.v.m. mitwirkten.
Die Polizei riet dem Bürgermeister das Fussballturnier nicht stattfinden zu lassen, weil sich die Polizei nicht in der Lage sehe, dies mit einer Anmeldung von nur 2 Monaten schützen zu können! „Natürlich hätte eine frühere Anmeldung alles geändert“, so ein Polizeibeamter.
Der Bürgermeister zeigte sich aber, wie gewohnt, sehr kompromissbereit, um in der Öffentlichkeit kein Prestigeverlust zu erleiden: „Wenn die Organisatoren mit Privatbürgschaften dafür die Verantwortung übernehmen, dass 2 Wochen vor und nach dem Turnier Nichts zu schaden kommt, dann kann es stattfinden.“—Wohlwissend, das eine Bürgschaft für einen Sportplatz nicht aufzubringen ist und der Schutz über 4 Wochen nicht gewährleistet werden kann!
Erneut ist in Colditz zu sehen, dass staatliche Repressionen keinerlei progressives, alltagsetablierte neonazistische Zustände änderndes Handeln zulässt.
Ein abschließender, alles aussagender Kommentar zum geplanten antirassistischen Fussballturnier vom gewählten Bürgermeister: „Die Öffentlichkeit“, hier gemeint die Zivilgesellschaft, „braucht und will meiner Meinung nach ein solches Turnier nicht, warum dann also ein solches Risiko eingehen?“
Er verdrängt damit nur wieder sehr erfolgreich die etablierte Alltagskultur der Neonazis, welche ein Entgegenwirken aller in Colditz längst notwendig macht!!!
Freiräume Muldental e.V.

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