LVZ-Online 16.09.08

Hakenkreuz-Fall von Mittweida – Prozess gegen 18-Jährige beginnt

Hainichen. Im sogenannten Hakenkreuz-Fall von Mittweida muss sich von
Dienstag an eine 18-Jährige vor dem Amtsgericht Hainichen verantworten.
Die Staatsanwaltschaft Chemnitz wirft der jungen Frau die Vortäuschung
einer Straftat vor. Sie hatte im November 2007 Anzeige erstattet und
angegeben, auf einem Parkplatz von vier Neonazis angegriffen worden zu
sein, die ihr ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt hätten. Die
Staatsanwaltschaft ist hingegen überzeugt, dass sich die Jugendliche
die Verletzungen selbst zugefügt hat. Die Verhandlung ist nicht
öffentlich, da die Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat noch minderjährig
war.

Die Ermittler hatten ihr zunächst geglaubt, dass sie am 3. November
2007 einem Aussiedler-Kind geholfen hatte, das von vier glatzköpfigen
Männern herumgeschubst worden sein sollte. Ein erstes
rechtsmedizinisches Gutachten schloss eine Fremdverletzung zunächst
nicht aus. Der Fall hatte bundesweit auch deshalb für Empörung gesorgt,
weil angeblich zahlreiche Anwohner dem Vorfall tatenlos von ihren
Balkonen aus zusahen.

Allerdings fanden die Ermittler trotz persönlicher Aufforderung an die
Anwohner und einer in Aussicht gestellten Belohnung von 5000 Euro für
Hinweise auf die Täter keine Zeugen für das Geschehen. Ein zweiter
Gutachter stellte fest, dass sich die damals 17-Jährige das Hakenkreuz
selbst eingeritzt haben könnte.

Die Staatsanwaltschaft betonte, dass ihre Anklageschrift gegen die
junge Frau 28 Zeugen und zwei Sachverständige benenne. Der Rechtsanwalt
der jungen Frau hatte die Ermittlungen hingegen stets als „halbherzig“
kritisiert und auf eine Einstellung des Verfahrens gedrängt. Dass sich
keine Zeugen meldeten, hatte er damit begründet, dass die Menschen in
Mittweida Angst vor den Neonazis hätten. Im April 2007 war die für
zahlreiche Übergriffe in der Region verantwortlich gemachte
Neonazi-Organisation „Sturm 34“ verboten worden.

Mittweidas Bürgermeister Matthias Damm (CDU) begrüßte bereits die
Anklageerhebung. Der Fall habe die Anstrengungen der Stadt im Kampf
gegen Rechtsextremismus auf den Kopf gestellt. „Mittweida hat seitdem
einen Makel, ich hoffe, dass dieser im juristischen Verfahren
ausgeräumt werden kann. Wir sind keine Nazi-Stadt.“ Der sächsische
CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer forderte nach Fertigstellung der
Anklageschrift die Aufklärung der Hintergründe: „Dieser Fall hat unser
ganzes Land in Verruf gebracht (…) Interessant wird sein, ob dieses
Mal bewusst Linksextremisten am Werk waren.“

Der Extremismusbeauftragte der Landkreises Mittweida, Manfred
Lindemann, kritisierte insbesondere die „voreilige Preisverleihung“ an
das vermeintliche Opfer. Die Jugendliche war Anfang Februar trotz der
laufenden Ermittlungen für ihre vermeintliche Zivilcourage vom
bundesweiten „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnet
worden. Sie nahm damals die Auszeichnung an und präsentierte sich dabei
strahlend den Fotografen und Kameraleuten. „Das hätte man zurückstellen
müssen, um den Preis nicht zu beschädigen", so Lindemann.

dpa

 

 

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