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Wie "Neue" und "Alte" Rechte die Leipziger Buchmesse unterwandern

 von Martin Schöler 

 Leipzig. Der Messestand der "Edition
Antaios" befindet sich in Halle 5, etwas abseits vom großen
Messegeschehen. Keine 10 Meter weiter verschenkt die taz Gratis-Exemplare. Nur einen Steinwurf entfernt präsentiert sich die Junge Welt.
Der Stand ist stark frequentiert.  Am ersten Besuchertag der
diesjährigen Leipziger Buchmesse ist Bundesaußenminister Frank-Walter
Steinmeier zu Gast, tingelt von Talkrunde zu Talkrunde, um sein neues
Buch "Mein Deutschland" vorzustellen.


Von all dem Trubel dürften die Antaios-Mitarbeiter nur wenig
mitbekommen haben. Deren Stand befindet sich in einem der hintersten
Gänge, ist klein, unscheinbar und schlecht besucht. Die Bücher in den
Regalen tragen Titel wie "Gender ohne Ende", "Widerstand" oder
"Postdemokratie". "Postdemokratie – das ist das, was nach der
Demokratie kommt", erklärt ein Mitarbeiter auf Nachfrage. "Das ist seit
10 Jahren ein Forschungsansatz in den USA. Alles läuft darauf hinaus,
dass die Parteiendemokratie von einer Interessendemokratie abegelöst
wird." Schon heute würden Institutionen wie Gewerkschaften überall
Einfluss ausüben, erläutert der Mittdreißiger mit einem Lächeln im
Gesicht. Er hat Grund zur Freude. Die "Neue Rechte", so scheint es, ist
in der Mitte der Gesellschaft angekommen und darf sich auf einem der
größten kulturellen Events der Republik präsentieren. "Neue Rechte",
das ist ein Sammelbegriff für eine Strömung innerhalb des
rechtsradikalen Spektrums, die inhaltlich auf intellektuell verpackten
Nationalismus, Anti-Liberalismus und Geschichtsrevisionismus setzt,
zugleich aber auf Distanz zu systemfeindlichen Naziparolen geht.

An der Rückwand des Stands von "Antaios" prangen auf einem
großformatigen Plakat die Sätze "Erschrick nicht, wenn du feststellst,
daß du konservativ bist. Es besteht kein Grund zur Sorge." Darunter
sind die Konterfeis von vier bedeutenden Protagonisten der neurechten
Szene zu sehen: Götz Kubitschek, seiner Frau Ellen Kositza, Karlheinz
Weißmann und Erik Lehnert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 
"Neue Rechte" auf Buchmesse: "Widerstand" und "Postdemokratie" im Angebot

(Bilder: Martin Schöler)

 Kubitschek, Jahrgang 1970, Geschäftsführer der "Edition Antaios", gilt
innerhalb der "Neuen Rechten" als intellektuelle Leitfigur. Der
siebenfache Familienvater kann auf eine lange publizistische Laufbahn
zurückblicken. Bereits während des Studiums arbeitete er als Redakteur
für die "Junge Freiheit", dem wichtigsten Sprachrohr der "Neuen
Rechten". Am Antaios-Stand sind auch Veröffentlichungen des "Instituts
für Staatspolitik" (IfS) ausgestellt, das der rechtskonservative
Vordenker im Jahr 2000 gemeinsam mit seinem Mentor, dem Gymnasiallehrer
Weißmann als künftige "Kaderschmiede" der "Neuen Rechten" gründete.
Zuletzt machte er aber als Initiator der "konservativ-subversiven
Aktion" (KSA) von sich Reden,  einer Gruppe neu-rechter AktivistInnen,
welche die eigenen Inhalte durch spektakuläre Aktionen
öffentlichkeitswirksam verbreiten sollte. Die spektakulärste (und
gleichzeitig letzte bekannte) Aktion der KSA war die Störung einer
Grass-Lesung Ende August 2008. Der Nobelpreisträger hatte gerade
begonnen, im Hamburger Thalia-Theater sein neuestes Werk "Die Box"
vorzustellen, als Mitglieder der KSA ein Plakat mit dem Schriftzug
"www.ungebeten.de grüßt die moralische Instanz Günter Grass" entrollen.
Im anschließenden Wortgefecht fordern die Störer, allen voran Götz
Kubitschek, den Schriftsteller auf, Schluss zu machen mit seiner
"Nebelkerzenprosa". Grass nahm die Aktion mit Gelassenheit auf, fragte
die Störer, von welcher Zeitung sie seien. Kubitschek wurde von Ordnern
des Saals verwiesen.

 


Doch die Leipziger Buchmesse bietet nicht nur VertreterInnen der "Neuen
Rechten" eine willkommene Plattform. In Halle 2 präsentieren sich am
Gemeinschaftsstand der Landesverbände des Börsenvereins des Deutschen
Buchhandels die Verlage "Grabert" und "Hohenrain". Das Verlagsprogramm
spricht gezielt Neonazis aus dem völkisch-nationalen Spektrum an. Am
Stand finden sich Werke von rechtsextremen Publizisten wie des
Kolumnisten beim Neonazi-Portal Altermedia
Jürgen Schwab oder NPD-Bundesvorstandsmitglied Olaf Rose. Beide
Verlagshäuser stehen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes
Baden-Württemberg. In der Vergangenheit wurden wiederholt Bücher aus
dem Verlagsprogrammen unter anderem wegen Volksverhetzung eingezogen
oder indiziert.

Andrea Baumann vom Landesverband Baden-Württemberg des Börsenvereins
des Deutschen Buchhandels, der den Gemeinschaftsstand organisiert hat,
betont auf Anfrage, dass keine indizierten Bücher gezeigt würden. Ein
Ausschluss von der Messe sei jedoch nicht möglich: "Die betreffenden
Verlage sind bei uns Mitglied. Wir können keine Zensur ausüben, solange
die Bücher nicht verboten sind. Uns fehlt klipp und klar die Handhabe
zu sagen, der Verlag stellt nicht aus." Bereits vor einige Jahren
sorgten die Rechtsradikalen innerhalb des Börsenvereins im Kontext mit
den Stuttgarter Buchwochen für Diskussionsstoff. Doch Baumann zeigt
sich in diesem Punkt erleichtert. Dort würden die Verlage mittlerweile
nicht mehr ausstellen. Ein Ausschluss der beiden Verlagshäuser aus dem
Verband sei aus satzungstechnischen Gründen nicht möglich. Eine
Satzungsänderung wurde von den Mitgliedern abgelehnt. Die Furcht der
Mitgliedschaft: Der Zensur würde Tür und Tor geöffnet werden, der
Verband könne nach Gutdünken entscheiden, was politisch "korrekt" sei,
und was nicht.

Doch Neonazis und "Neue Rechte" stoßen in Leipzig keineswegs überall
auf Toleranz. Tanja Russack, im StudentInnenRat der Uni Leipzig für
Antirassismusarbeit zuständig,  äußerte sich bestürzt über die Auswahl
der Aussteller. "Die Zahl rechtskonservativer AutorInnen hat im
Vergleich zu den vorjährigen Messen erneut zugenommen. Auch die Anzahl
rechter Verlage unter den Ausstellern ist angestiegen. Dies ist eine
beschämende Tendenz und ein alarmierendes Zeichen, da es die
Breitenwirksamkeit rechtspopulistischer Aktivitäten aufzeigt."

Juliane Nagel, Mitglied des sächsischen Landesvorstands der LINKEN,
äußerte sich ebenfalls kritisch. "Eine Messe, auf der der Buchpreis zur
Europäischen Verständigung verliehen wird, eine Messe, die sich
Weltoffenheit und demokratische Kultur auf die Fahnen schreibt, darf
die Verbreitung von rassistischen, geschichtsrevisionistischen
Ideologien nicht dulden." Allerdings ist dies scheinbar schon seit
Jahren der Fall, und folgt man den Ausführungen der Sprecherin des
Börsenvereins, ist ein Ende nicht in Sicht.

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