LVZ Muldental – 23/03/09

Antirassismus-Demo – Polizei muss in 49 Fällen einschreiten

Wurzen (ws). Mit sichtlicher Distanz und bangen Gefühlen ließen die
Wurzener gestern den fünften Antirassistischen Sonntagsspaziergang über
sich ergehen. Einige der wenigen Bürger, die auf den Straßen anzutreffen
und zu einer Äußerung bereit waren, drückten Unverständnis und auch
Angst über die Aktion aus, die sie als "von außerhalb übergestülpt"
betrachteten. Andere beklagten den vielköpfigen Polizeieinsatz, den die
angemeldete Demonstration, inklusive der kleinen Kundgebungen, im
Zentrum Wurzens nötig gemacht habe, um Übergriffe und tätliche
Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und rechtsextremistischen
Kräfte zu vermeiden. "Was das uns Steuerzahler für Geld kostet", sagte
ein älterer Herr erbittert.
Die Veranstaltung, zu der alle Bürger der Stadt eingeladen waren, hatte
das "Antifaschistische Netzwerk Leipzig Land angemeldet und organisiert.
Nach Aussage ihrer Sprecherin Juliane Nagel, Mitglied des
Landesvorstandes Sachsen der Linken, ziele die Aktion darauf,
neonazistischen Umtrieben, auch in Wurzen, einen Riegel vorzuschieben.
"Wir wollen aber auch gegen das Desinteresse der Menschen, wiederum auch
in Wurzen, ein Zeichen setzen."
Gegen 14 Uhr setzte sich der Zug, den laut Polizei zwischen 250 und 270
Teilnehmer, zumeist junge Leute, bildeten, in Bewegung. Unter ihnen auch
Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Die Linke). Trotz aller Bemühungen
der polizeilichen Einsatzkräfte konnten auf dem Marsch durch die
Wurzener Innenstadt kleinere Rangeleien zwischen Demonstranten und
rechtsextremistischen Gegnern nicht verhindert werden. Große
Anstrengungen mussten die Beamten unternehmen, um Teile des Marschzuges
davon abzuhalten, in die aus der Route heraus genommene Rathenaustraße
einzudringen. Wie der Einsatzleiter, Polizeirat Reinhard Böttcher
gegenüber der LVZ erklärte, habe man das Konfliktpotenzial wegen des
dort ansässigen Versandhandels Front Records minimieren wollen.
Sein Kollege, Vize-Einsatzleiter Jan Müller, Erster
Polizeihauptkommissar, zog am Ende der Demonstration keine ganz
friedliche Bilanz: Die Beamten mussten zwei junge Männer in Gewahrsein
nehmen, 42 Platzverweise gegen Demoteilnehmer und Rechtsextreme
aussprechen und fünf Straftaten aufnehmen, darunter einen Verstoß gegen
das Sprengmittelgesetz. Zwei Straftaten, die aus dem Reihen der
Demonstranten verübt wurden, lagen Beschädigungen an Pkw zugrunde.
Im Vorfeld des Antirassistischen Sonntagsspazierganges hatte
Oberbürgermeister Jörg Röglin gegenüber der LVZ erklärt, es sei
bedauerlich, dass es seitens der Veranstalter keine Bestrebungen gegeben
habe, ein überparteiliches Bündnis zu schmieden und einen Aufruf zu
verfassen, der von einer breiten Bürgerschaft getragen werde. Mit dem
vorliegenden Aufruf, in dem der Stadt pauschal Desinteresse und Ignoranz
gegenüber dem Thema Rechtsextremismus vorgeworfen werde, habe man nur
falsche Feindbilder geschaffen. "Das ist dem gemeinsamen Grundanliegen,
Rechtsextremismus zurückzudrängen, nicht förderlich", so Wurzens
Oberbürgermeister.

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