LVZ Muldental vom 24.03.2009

"Wir brauchen keine Randale"

LVZ-Umfrage: Wurzener lehnen Kampf gegen Neonazis in Form von
Aufmärschen ab

Wurzen. Der "Antirassistische Sonntagsspaziergang" des
"Antifaschistischen Netzwerks Leipziger Land" unter Führung der
Linken-Politikerin Juliane Nagel ist bei den Wurzener Bürgern auf
strikte Ablehnung gestoßen (wir berichteten). Bei einer Straßenumfrage
gestern zeigte sich dasselbe Bild.
Horst Kilsch (64) empörte sich über die ungebetenen Demonstranten "aus
Leipzig und sonst woher. Was unser Oberbürgermeister in der LVZ gesagt
hat, ist auch meine Auffassung. Wenn die Leute es wirklich ernst gemeint
hätten mit ihrem Anliegen, dann hätten sie sich mit der Stadt verbündet.
Wir brauchen keine Randale." Im Übrigen sei es bei den Angereisten nicht
weit her gewesen mit ihrem Spruch, Gesicht zu zeigen. "Dann hätten sie
ihre Sonnenbrillen und anderen Mummenschanz weggelassen. Dafür haben sie
aber einigen Wurzenern Schläge angeboten, kann ich als Augenzeuge sagen.
Kein Wunder, dass viele Einheimische Angst hatten, eins auf die Schnauze
zu kriegen."
"Gegen Neonazis Flagge zu zeigen, ist eine gute Sache", sagte Matthias
Berg (21). "Aber das sollte man in anderer, friedfertiger Form tun." Was
am Sonntag abgelaufen sei, könne er nicht gut finden. Und dann das
riesige Polizeikontingent. "Die Beamten hatten aber voll zu tun, die
Aktion im Griff zu behalten. Nein, bei so etwas wie dieser sogenannten
linken Demo mache ich nicht mit."
Sylvia Kolodziej (41) hat für diese Art der Auseinandersetzung mit
Andersdenkenden keine Sympathie. "Einfach schon deshalb nicht, weil sich
die Demonstranten allzu oft daneben benehmen. Und so geht der Schuss am
Ende nach hinten los."
"Das ist eine Affenschande in der Demokratie", macht Joachim Vetter (65)
seinem Ärger Luft. "Die reine Geldverschwendung, wenn man an die vielen
Polizeibeamten denkt, die wegen der Leute von draußen gebraucht werden."
Er könne nicht begreifen, "warum die, nur weil es auch in Wurzen so
einen rechten Laden gibt, immer hierher kommen." Er sei seit Sonnabend
Rentner, da habe er ab jetzt noch weniger Geld im Portemonnaie. "Aber
für solche Aktionen wie die am Sonntag werden Beträge rausgeschmissen.
Für die Förderung solcher Netzwerke und für die Polizeieinsätze, die
erst durch sie notwendig werden. Die Gewalt ging von den sogenannten
Linken aus, diesen Populisten."
Claudia Ponitka (24) fand die Demonstration gefährlich. Sie habe keine
Sympathie dafür. "Nicht überall kann die Polizei sein. Körperverletzung
und Sachschäden sind, wie man aus anderen ähnlichen Aktionen weiß, nicht
auszuschließen. Aber kann man was dagegen machen?" Umfrage: Wulf Skaun

Standpunkt
Untaugliche Kampfmethoden

Mit dem "Antirassistischen Sonntagsspaziergang" durch die Wurzener
Innenstadt hat sich das "Antifaschistische Netzwerk Leipziger Land"
keine Freunde gemacht. Die Einheimischen, obwohl eingeladen, hielten
sich der zum Teil martialisch anzuschauenden Demonstration nicht nur
fern, sie lehnten sie ganz eindeutig ab. Es fällt auch dem neutralen
Beobachter schwer zu erkennen, warum die Wurzener an solcherart Aktion
teilnehmen sollten? Wer findet schon Gäste sympathisch, die sich selbst
einladen, um den Hausherren zu rügen, er benötige Nachhilfe in Sachen
Demokratie. Denn den Wurzenern pauschal zu unterstellen, sie gäben sich
dem Thema Rechtsextremismus gegenüber desinteressiert und ignorant,
daher müsste man ihnen ein Licht aufsetzen, das kann schon als
Hausfriedensbruch verstanden werden. Es spricht, allgemeiner betrachtet,
für ein merkwürdig abgehobenes, ja sektiererisch-elitäres Verhalten, das
allen Sitten eines demokratischen Miteinanders Hohn spricht und daher
von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Mit Parolen wie "Wir haben
euch was mitgebracht: Hass, hass, Hass!" macht man sich, auch wenn es
gegen Neonazis gerichtet sein soll, zum Bürgerschreck. Und lässt die
Frage aufkeimen, ob es den jungen, oft zugebrillten Köpfen eigentlich um
die Sache geht, die sie vorgeben zu vertreten. Krawalle und
Beschimpfungen, Angstmacherei und Beschäftigung der Polizei, wie leider
am Sonntag zu erleben, passen da nicht ins Kampfarsenal. Mit
"Terror-Tourismus", wie manche Wurzener ihren Auftritt drastisch
ausdrückten, kann und will die Stadt nichts zu tun haben.

@w.skaun@lvz.de

Von Wulf Skaun

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